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Blog > Ratgeber > Mentale Stärke im Tennis: Boris Becker über Fokus, Niederlagen und Selbstvertrauen
Wer im Tennis erfolgreich sein will, braucht mehr als nur eine starke Vorhand. Die wahren Champions zeichnen sich durch mentale Stärke aus – gerade in entscheidenden Momenten. In einem exklusiven Interview spricht Tennis-Legende Boris Becker über den schmalen Grat zwischen Sieg und Niederlage, seine persönlichen Rituale, wie man Niederlagen verarbeitet und warum mentale Disziplin oft der Schlüssel zum Erfolg ist. Ein Muss für alle Tennisfans, Spieler*innen und Trainer*innen, die wissen wollen, was wirklich hinter Nervenstärke steckt.
Stefan: Du warst immer jemand, der bekannt dafür war, Nervenstärke zu besitzen. Wie hast Du es geschafft, in Matches immer ruhig zu bleiben, auch wenn man wahrscheinlich nicht immer ruhig auf dem Platz ist?
Boris: Ja, die mentale Stärke – viele reden drüber, die wenigsten wissen wirklich, was es ist. Es ist ein bisschen das Leben zwischen Himmel und Hölle. Wenn man im dritten Satz im Tie-Break ist oder im Finale eines großen Turniers, dann gewinnt eigentlich immer derjenige, der die Nerven behalten kann und die Nerven nicht verliert. Das sagt man immer so einfach, aber das ist in der Tat der Unterschied! Es ist nicht die Vorhand oder der Aufschlag, sondern derjenige, der bei sich bleibt.
Stefan: Hast du ein bestimmtes Ritual gehabt, um den Fokus zu behalten?
Boris: Ja, das kann man auch trainieren. Es geht um Konzentrationsfähigkeit und geistige Disziplin. Wenn Du das erst im Match anfängst, ist es zu spät. Es muss Teil Deines Alltags sein – wie du Deinen Alltag bestreitest, trainierst und wie Du lebst. Selbst im Stau kann man seine Nerven trainieren. Es gibt viele Wege, sich mental zu stärken.
Stefan: Wirklich ein ganz spannendes Thema. Du hast es eben schon angesprochen, wenn man im Grand Slam Finale steht, ist es eine ganz besonders herausfordernde Situation - jetzt ist das Finale der French Open noch nicht lange her, da sah lange Jannik Sinner als der sichere Sieger aus, am Ende ist er als Verlierer vom Platz gegangen. Wie bist du mit schmerzhaften Niederlagen umgegangen?
Boris: Das Finale in Paris bei den French Open war eines der besten Grand Slam Finals, die ich gesehen habe. Es war nervenaufreibend! Natürlich tut einem Jannik Sinner dann auch leid. Er hat mit 2:0 Sätzen geführt, hatte drei Matchbälle im dritten Satz, aber Carlos Alcaraz spielte in den entscheidenden Momenten sein bestes Tennis. Wie geht das? Das hat viel mit Instinkt und Herz zu tun. Ich war in zehn Grand Slam Finals, habe vier verloren – das tut weh und Du musst lange dran kauen, um die Gründe herauszufinden und es hoffentlich nächstes Mal besser zu machen.
Stefan: Gibt es eine schmerzhafte Niederlage, die Dir sofort in den Kopf kommt?
Boris: Ja, besonders erinnere ich mich an ein Match bei einem großen Sandplatzturnier in Monte Carlo gegen Thomas Muster, das ich trotz 2:0 Führung und Matchbällen verlor. Solche Niederlagen vergisst man nie ganz. Immer wenn ich den Thomas sehe, schmiert er es mir schön auf das Butterbrot und fragt: „Weißt Du noch Boris damals?“ – Nein, also ich fühle mit, das ist brutal und das kann man nie ganz verdauen.
Stefan: Viele haben heutzutage einen Mentaltrainer, einen Psychologen. Wie war das damals? War das ähnlich? Ist das ein Thema, was eigentlich jetzt erst so richtig relevant geworden ist oder hat man sich schon immer damit auseinandergesetzt?
Boris: Zu meiner Zeit, als ich gut rauskam – 1985 war die Nummer 1 der Welt Ivan Lendl. Er hatte einen Psychologen, achtete auf Ernährung und Kondition – das war der erste echte Tennis-Profi. Heute ist mentale Betreuung noch wichtiger, doch viele Spieler nutzen sie nicht genug. Wer im Finale steht, verliert nicht an der Rückhand – sondern an der mentalen Verfassung. Psychologische Unterstützung kann entscheidend sein, wird aber oft nicht immer öffentlich gemacht und das ist vollkommen in Ordnung.
Stefan: Beobachtet man als Spieler auch das Verhalten der Konkurrenz?
Boris: Klar! Tennis ist vielleicht die einzige Sportart, in der man sich direkt neben dem Gegner umzieht, anzieht, duschen geht. Man beobachtet sich ständig – bewusst oder unbewusst. Auf der anderen Seite gibt es viele Medien und Pressekonferenzen. Ich sehe auch, dass die Spieler oft gar nicht wirklich sagen, wie es ihnen geht – das ist auch gut so. Das muss nicht jeder wissen. Da wird viel gepokert, das haben wir damals auch so gemacht. Das gehört dazu.
„Ich weiß wer ich bin, ich bringe meine Leistung und jetzt viel Spaß, wenn ihr mich dabei schlagen wollt“ - Boris Becker
Stefan: Wie war das für Dich, mit 17 in der Wimbledon-Umkleide zu sitzen?
Boris: Ohne Selbstvertrauen hätte ich Wimbledon nicht gewonnen. Ich glaube das ist Teil meiner Persönlichkeit und meines Charakters, so bin ich erzogen worden. Ich war überzeugt von mir – nicht arrogant oder überheblich, aber selbstsicher. Ich habe meine Leistung gebracht, und wenn jemand besser war, war das okay. Aber Angst vor der eigenen Courage hatte ich nie.
Ob Wimbledon-Finale oder Clubturnier – mentale Stärke entscheidet oft über Sieg oder Niederlage. Boris Becker zeigt im Interview, dass es dabei nicht um Talent allein geht, sondern um Disziplin, Fokus und Selbstvertrauen. Wer sich mental vorbereitet, gewinnt nicht nur Matches, sondern entwickelt sich auch als Persönlichkeit weiter. Ein starker Kopf ist im Tennis mindestens so wichtig wie ein starker Arm.
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